Die Bauern
Die Bauern von Hiddestorf
Hiddestorfs Bauern einst und heute
Quelle: HAZ 16.08.1958, Zeichnungen von Alfred Brecht
Das Calenberger Land zeichnet sich durch seinen fruchtbaren Boden aus. Wo noch vor 150 Jahren Wälder die Landschaft um Hiddestorf prägten, erstrecken sich heute ertragreiche Felder in ständig wechselnden Farbschattierungen bis an den Deisterrand. Schon früh wurden diese Gebiete zum begehrten Besitz kirchlicher und weltlicher Herren. Als Papst Innocenz II im Jahr 1216 das Kloster Barsinghausen in seinen Schutz nahm und reich dotierte, bestätigte es in einer mit einer Bleibulle an gelbroten Seidenfäden versehenen Urkunde auch den Zehnten in Hesdesdorpe (Hiddestorf) und vielen anderen Orten in der Nachbarschaft. Diese regelmäßigen Abgaben sicherten den Unterhalt des Klosters. Es war die erste schriftliche Erwähnung über das Bauerntum in Hiddestorf.
Im Jahr 1247 erhielt der in Wunstorf residierende Graf Rudolf von Roden als ständige Pfandgüter neben Vogteien, Lehnsbesitz, Zöllen und Gerichten die beiden Meierhöfe in Ronnenberg und Hiddestorf. Dafür versicherte er, niemals den Dienst des Mindener Stifts zu verlassen. Seine Nachfolger haben dieses Gelöbnis später nicht gehalten und damit zur Vorgeschichte der Hildesheimer Stiftsfehde beigetragen, in der auch Hiddestorf schwer leiden musste.
Um 1300 war das Landvolk in Hiddestorf noch einig und stark. Die Meierleute der Kirche und jene Bauern, die den Besitz weltlicher Herren bewirtschafteten verteidigten ihre Rechte, vertreten durch das Goding für den alten Go Pattensen, dessen Sprecher der gewählte Gogrefe war. Eghehrad Knigger war der erste Name des Gogrefen und führt zurück in das Jahr 1357, als er den Verzicht des Johann Balghe zugunsten seiner Mutter Ilsalbe an dem Hofe bestätigte, auf dem Lattemann wohnte, der erste namentlich erwähnte Bauer des Dorfes. Das Goding „auf dem Horne“ in der Hiddestorfer Gemarkung ist noch im 16. Jahrhundert mit tatkräftigen Männern besetzt gewesen. Der Gogrefe Curt vom Horn hat nicht nur die Versammlungen abgehalten, sondern Rüstungen besichtigt und Heerschau hier gehalten. Darüber hinaus lies er auch Gräben und Landwehren anlegen und verstärken. Neben dem Schutz der Einwohner hat er in vielen Eingaben mannhaft die Belange der Meier und Kötner vertreten.
Die Calenberger Register aus den Jahren 1496/1508 sind leider für die Erforschung unbrauchbar geworden, so dass erst das Kornregister von 1582 herangezogen werden kann. Dieses ließ Amtmann Erich Lorleberg von Calenberg anlegen und verwalten. Es gibt Aufschluss über die verschiedensten Abgaben und Lasten. Die Dörfer des Amtes hatten für die Unterhaltung der Landsknechte und Wachen feste Sätze als „Wachtgeld“ aufzubringen, ebenso Dienstgeld. Diese betrugen für jede Hufe einen Gulden und für jeden Morgen darüber einen Mariengroschen. An Michels Landschatz zahlte Hiddestorf 64 Reichstaler (Rthl.), 1,5 Groschen, Ohlendorf 24 Reichstaler und 8 Groschen.
Der Amtmann nahm am 07.09.1583 in „Kegkenwart Curten vom Horn, des Gogrefen zu Hiddestorf und Jobst Stucken, Hachmeisters zu Langenhagen“ die Zölle aus und „befand“ 95,5 Reichstaler und 4 Groschen.
Die Brüche für Vergehen verschiedenster Art wie „mit einer Tangenzwille um den Augken geschlagen“ oder „ihme ein Spieß aufn Leibe entzwei geschlagen“ sind Beispiele für kraftvolle handgreifliche Auseinandersetzungen, aber auch für harte Geldbußen.
Das die Hiddestorfer Bauern sich den Frondiensten gern entzogen und zuweilen auch respektlos gegen die Obrigkeit auftraten, haben manche mit Strafgeldern bis zu 5 Gulden zahlen müssen.
Zu den 1584 bestätigten Höfen der neun Meierleute gehörte bereits der Schwerdtfegerhof.
Im Jahre 1652 bewirtschaftete Erich Schwerdtfeger für seinen Herrn Bodo von Alten-Wilkenburg diesen Besitz, der damals aus 3 Hufen (87 Morgen Acker und Wiesen) und seinen Koppeln in 5 Flurlagen, die kleinste annähernd 4 ha groß, bestand. Der Hofzins betrug 6 Gulden, 8 Groschen, 4 Hühner und 4 Stiege (80 Eier). Für die Ländereien hatte Schwerdtfeger je 20 Malter, 4 Himpten Roggen und Gerste und 10 Malter Hafer aufzubringen. Dazu kam der Zehnte, der erst im vorigen Jahrhundert abgelöst wurde.
Als 1655 und 1658/59 Hagelwetter und Misswuchs die Ernten verdarben, griff die Kirche helfend ein und lieh Gelder an einige Bauern aus, die besonders arg betroffen waren.
Alte Bauerngeschlechter werden wach
Quelle: HAZ 16.08.1958
Geschichte der Familien Prellberg und Baxmann in Hiddestorf
Die Urkunden für Hiddestorf, die bis ins Jahr 1033 zurückgehende Ereignisse der Ortsgeschichte festhalten, enthalten auch jenes Schriftstück aus dem Jahre 1216, mit dem Papst Innocenz III. das Kloster Barsinghausen in seinen Schutz nahm und ihm den Zehnten von „Hiddestorpe“ bestätigte. Dieser Urkunde folgen viele vergilbte Stücke über Belehnungen an weltliche Machtträger durch die Kirche, sei es, um sich ihres Schutzes zu versichern oder nach unglücklich geführten Kriegen geforderte Güter und Einkünfte herauszugeben. Den Grafen von Roden-Wunstorf und ihren Vasallen war lange vor 1290 der größte Einfluss im großen GO Engelbostel gesichert, von Süden griffen die Grafen von Hallermund nach Norden vor. Beide nahmen das Gebiet Go Pattensen in die Zange, zu der einst Hiddestorf gehörte. Der fruchtbare Boden lockte aber auch die Welfenherzöge, die sich erfolgreich in die Machtkämpfe einschoben, die so zahlreich und wechselvoll gewesen sind, dass die Pflichten der von weltlichen oder kirchlichen Herrn bemeierten Bauern bald diesem, bald jenem Gebieter zu erfüllen waren. Fest standen nur die Lasten und Gefälle der Höfe, der Zehnte obenan, in guten und ebenso in schlechten Ertragsjahren.
Des Lehnsregister des Bischofs Gottfried von Minden aus der Zeit von 1304 – 1323 macht recht anschaulich, über welch zahlreiche Mannschaft der Bischof zwischen Deister und Leine gebieten durfte, dem Fürsten und Herren, auch die Welfenherzöge, als Lehnsleute verpflichtet waren. Einmal taucht in den Urkunden auch Johann von Hiddestorf auf, der 1347 beurkundete, dass er ohne Erben sterben werde und sein Besitz nach dem Tode zurückfalle. Viele klangvolle Namen, noch heute blühende und erloschene Adelsgeschlechter, sind mit Hiddestorfs Höfen geschichtlich verbunden gewesen.
In der „Beschreibung der Ackerhöfe und der dazugehörigen Länderey von Dörfern des Amts Coldingen aus dem Jahre 1652“, als der große Zehnte von Hiddestorf neben dem halben Untergericht den Freiherren Knigge-Leveste gehörte und bei guter Ernte zehn Fuder Roggen, sechs Fuder Gerste und zwei Fuder Hafer einbrachte, wird hier als erster unter den neun Vollmeiern Tile Prellberg Nr. 1 genannt, dessen Hof Jost von Bennigsen gehörte. Der Hofzins betrug acht Hühner und acht Stiege Eier gleich 160 Stück. Als nächster folgte ihm Hans Baxmann Nr. 2, dessen fast gleichgroßer und ähnlich hochbelasteter Hof denen von Reden gehörte. So folgen dann als Besitzer der Vollmeier- und Halbmeierhöfe und der Kotstellen der Oberist Jöst-Hilmar Knigge, Jürgen von Alten-Großgoltern, Bodo von Alten-Wilkenburg, Reimers Tampe-Hameln, Tönnies von Rode u.a. das Kloster Wennigsen und die Pfarren Pattensen und Hiddestorf.
Zu diesem Rückblick verführte die Bank vor der Riesenlinde auf dem alten Prellberg-Hofe Nr. 1 in Hiddestorf, den unser Bild zeigt. Ruhe und Geborgensein genoss ich neben dem jetzigen Besitzer Hermann Baxmann, mich in die Vergangenheit des Ortes und des Hofes einführte. Die Prellbergs waren immer kinderreiche und kraftvolle Menschen gewesen und hatten dem Hof treu gedient. Der letze dieser Familie, Christoph Prellberg, der im Jahre 1847 den Zehnten von Bennigsen mit 3000 Reichsthalern ablöste und den Hof von Lasten und Gefällen freikaufte, hatte acht Kinder. Er übergab den Hof seiner Tochter Marie und dem aus dem Hofe Nr. 5 stammenden Ernst Baxmann. So schloss sich der Gedankenring im Gespräch unter der mehr als 600 jährigen Linde um die Familien Prellberg und Baxmann, die bereits 1652 auf ihren Höfen im Ort wirtschafteten.
Es muss allerdings noch gesagt werden, dass zuvor (1774) der Baxmannhof Nr. 2 den Erben für den Hof Nr. 5 (früher Schwerdtfeger-Hof) gab, der heute noch wie der Hof Nr. 2 den Baxmanns gehört, die nunmehr in drei blühenden Linien vertreten sind. Im Jahre 1894, als die mit Senkblei gerichteten Wände des mächtigen Fachwerkhauses sich verzogen hatten und die Sandsteinstufen vor dem Eingang tief ausgetreten waren, erbauten die Eltern des jetzigen Besitzers den neuen Hof an der Verkehrsstraße, da sie meinten, dass der alte Hof die Wechselfälle des Lebens hinter sich haben sollte. So wurde Hermann Baxmann als dritter Sohn im Neubau geboren. Seine älteren Brüder, die ihre ersten Schritte noch im alten Hofe lernten, fielen beide im ersten Weltkrieg, so dass er von seinem geplanten Lebenswege abgezogen wurde und dem Hof, den er inzwischen seinem Sohn übergeben konnte, als Bauer seine ganze Kraft widmen durfte.
Die Baxmanns in Hiddestorf
Quelle: HAZ 04.07.1958
Vollmeierhof Nr. 2 in der Geschichte der Generationen
Groß und mächtig wie das Haupthaus einer Burg erhebt sich in Hiddestorf am Ortsausgang nach Pattensen das im Bilde gezeigte Niedersachsenhaus des Vollmeierhofes Nr. 2 aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts mit seinen 13 Quergefachen, ein Beispiel bodenständig entschieden geprägten Bauwillens. Viele Jahre gaben große Linden vor dem hohen Giebel vor Wind, Wetter, Regen und Kälte besten Schutz und entzogen ihn der Sicht. Den Frostwintern der letzten Jahre sind sie zum Opfer gefallen und dann entfernt worden. Dagegen haben die beiden Birnbäume vor dem Giebel, wetteifernd im Wuchs, ihre Zweigspitzen schon über den Walm des Daches getrieben und reiche Früchte angesetzt. Nun spielen die Winde mit ihrem Blattwerk, und in den Fenstern der beiden Geschosse spiegelt sich ungehindert die Sonne. Von fernher grüßt das Panorama des Deisters, davor liegen die fruchtbaren Äcker der Gemeinde.
In den Calenberger Registern für 1496 – 1508, schon von Würmern zerfressen, teils zerrissen und im Wasser gelegen, ist die Vorgeschichte dieses Vollmeierhofes nicht zu ermitteln gewesen, doch wissen wir, dass in der Zeit, als der Pattenser Gogrefe seinen Sitz wegen der ihm durch den Burgvogt beschnittenen Rechte nach Hiddestorf verlegte und „auf dem Horne“ die Dingstätte war, unter dem Gofgrefen Curt vom Horne die Goßlers seit 1555 auf diesem Hofe wirtschafteten. Nach Cordt Goßler wird um 1608 Tönnies Wulffes als Vollmeier des Hofes Nr. 2 geführt. Nach dem Dreißigjährigen Kriege, als in Hiddestorf die in Schlickum und Sarstedt einquartierten Schweden besonders grob gehaust und den Bauern das letzte Korn vom Felde geholt hatten, werden nach der „Beschreibung der Ackerhöfe und der dazugehörigen Länderey in den Dörfern des Amts Coldingen aus dem Jahre 1652“ als Vollmeier-Eheleute auf dem Hof Nr. 2 Hans Baxmann und Margarethe Deveß geführt, der den Herren von Rehden gehörte. Zu dem Hofe gehörten damals 4 Hufen = 67 Morgen, die in größeren Koppeln an fünf Stellen der Feldmark gelegen waren. An „Zins vom Zehnten“ musste der Hof 37 Malter Roggen, 26 Malter Gerste und 26 Malter Hafer aufbringen, außerdem mussten dem Zehntherren neben besonderen Diensten auch Fahrten nach Hameln und Hildesheim geleistet werden.
In ununterbrochener männlicher Erbfolge haben die Baxmanns diesen Vollmeierhof bis heute bewirtschaftet, ihn im Fleiß der Generationen bedeutend vergrößert, ihn vom Zehnten und allen Lasten und Gefällen im vorigen Jahrhundert befreien können und ihn seitdem als Eigenbesitz geführt. Der Ahnherr Hans Baxmann II, geboren 1642, holte seine Lebensgefährtin aus ungewöhnlicher Entfernung auf den elterlichen Hof. Vermutlich hat er Margarethe Brunotte aus Nordstemmen auf einer der Reisen mit dem Zehntherren von Rehden kennengelernt, ehe sie 1667 den Ehebund in Hiddestorf schlossen, dem vier Söhne und eine Tochter entsprossen. Dem zweiten Sohn Ernst Wilhelm übergaben die Eheleute den Vollmeierhof, während der älteste, Heinrich Baxmann, im Jahre 1674 auf dem wüst liegender Knausthofe geführt wird, der später wieder in andere Hände überging.
Aus dem Stammhof Nr. 2 der Baxmanns wurde aber 1774 der Erbe des Schwerdtfegerhofes Nr. 5 gestellt, der noch heute im Besitz dieser Linie geblieben ist. Aus ihr entstammt Ernst Baxmann, der Gründer der dritten Linie, der im Jahre 1889 Marie Prellberg heiratete und mit ihr den alten Vollmeierhof Nr. 1 am Ausgang nach Ohlendorf annahm. Es würde zu weit führen, im Rahmen dieses Berichts einen genealogischen Abriss in umfassender Form zu geben, doch sei gesagt, dass die in den Pflichten des Bauerntums aufgehenden neun Vorgenerationen dem Hof allzeit ihr Bestes gaben und im Dorfleben ein gewichtiges Wort besaßen, ehe sie, auf der großen Diele aufgebahrt, nach einem aufrechten Leben den letzten Weg angetreten haben.
Hohes Alter haben wenige Baxmanns und ihre Gefährtinnen erreicht, wohl ein bestimmtes Zeichen ihres arbeitsreichen Lebens und Schaffens, nach deren Vorbild Heinrich Baxmann und Helene Schneider aus Pattensen, seit 1931 die Besitzer des Hofes und mit vier Kindern gesegnet, das Ahnenerbe verdienstvoll fortführen.